ELFRIEDE JELINEK ÜBER DEN FILM

„Mutter-Tochterbeziehungen sind schon öfter im Film abgehandelt worden, aber dieses Projekt ist wirklich herausragend. Der Wahn einer Mutter, ihre Tochter als nichts anderes als der Mutter eigenes Spiegelbild zu sehen und für die eigenen unerfüllten Wünsche und den eigenen unerfüllten Ehrgeiz zu missbrauchen (eine Art von Missbrauch, die viel zu selten thematisiert wird) und die Leidenschaft, mit der diese Art von Mutter-"Liebe" die Tochter daran hindert, ihren eigenen Weg zu finden und sich aus dieser Prägung, dieser Abhängigkeit von der Mutter zu befreien (was naturgemäß im Wunsch der Mutter mündet, sich einen Menschen vollkommen gefügig zu machen, zum Werkzeug eigener Wünsche, die nie erfüllt worden sind), dies alles wird in diesem Film in meinen Augen einzigartig dargestellt."

BARBARA CASPAR ÜBER DEN FILM

Vor ein paar Jahren hatte ich eine Debatte mit Frauen, in der wir über die feministischen Bemühungen der letzten Dekaden, die wir auch in unserem persönlichen Umfeld erlebten, sprachen. Wir diskutierten darüber, wie man Töchter heute erziehen sollte. Welche Art von Wünschen und Ambitionen haben für sie, welche Art von intellektueller und psychischer Ausrüstung wollen wir ihnen mitgeben? Würde unser erklärtes Bestreben, Mädchen zu starken, unabhängigen Frauen mit politischer Agenda und großen Zielen zu erziehen, auch ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen? Inwiefern gelten unsere eigenen Werte auch für unsere Töchter? Ich bemerkte, dass in meinem Umfeld nicht wenige Frauen von sich selbst sagen, dass sie ihre eigenen Talente und ihr Potenzial nie voll ausschöpfen konnten, und jetzt als Mütter versuchten, für ihre Töchter ideale Umstände für deren Entwicklung zu schaffen und auch die Richtung dieser Entwicklung vorgeben wollten. Inwiefern sind Töchter geprägt von einem (verbissenen) Wohlwollen oder gar einer Rivalität mit Müttern, die ihr eigenes Potenzial auf Grund der äußeren Umstände nie ausschöpfen konnten?

Bieten sich Mütter als Identifikationsfiguren an – welche offiziellen (öffentlichen) feministischen Identifikationsfiguren stehen sonst zur Verfügung?

Inwiefern zahlen junge Menschen – besonders junge Frauen – noch immer einen sehr hohen Preis, wenn sie aus dem System, in das sie geboren wurden, aussteigen möchten? Welchen Stellenwert haben Aktivismus, Ideologien, der Wunsch nach einer besseren/gerechteren Welt heute noch?

Für eine Weile jonglierte ich mit der Idee, nur einen Film über die Geschichte von Aurora und Hildegart zu machen. Mir war jedoch klar, dass dieser Zugang meinem ursprünglichen Interesse an der Betrachtung von „erwachsenen" Mutter-Tochter-Beziehungen in modernen Lebensentwürfen nicht gerecht werden würde.

Ich entschied mich also für einen Film, in dem Frauen im Alter von Aurora und Frauen im Alter von Hildegart zum Zeitpunkt ihres Todes, deren Handlung reflektieren und darüber Auskunft geben, welche Inspirationen sie daraus für ihr eigenes Leben ziehen. Die Tochtergeneration wird von jungen FEMEN-Aktivistinnen aus Deutschland und Spanien vertreten.